Garbsen – unsere Leser/innen erzählen, wie Sie die Corona-Pandemie selbst erlebt haben und welche ganz persönlichen Schwierigkeiten bewältigt werden mussten und immer noch bewältigt werden müssen. Heute erzählt uns Julia B. aus Osterwald-Unterende ihre Geschichte.
“Ich bin gelernte Gesundheits- & Krankenpflegerin und arbeite in der Anästhesie einer Privatklinik mit internationalen Klientel.
Im Herbst 2019 wurde ich schwanger, wir flogen noch nach Amerika und machten unseren zweiwöchigen Traumurlaub. Anfang 2020 hörte man dann von den ersten Corona Fällen in Wuhan, China. Es klang so weit weg, dass man sich noch nicht viele Gedanken darüber machte.
Je schneller sich der Virus verteilte nicht nur dort sondern auf der ganzen Welt umso mehr wurde man verunsichert. Viele meiner Kollegen haben es anfangs noch abgetan und es als „schlimmere Grippe“ bezeichnet. Jedoch auch diese verstummten recht schnell. Ich wurde bei der Arbeit “rausgenommen”, schließlich war ich schon in der 29 SSW und bei jedem internationalen Patienten schon nervös.
Als junge Frau hat man relativ genaue Vorstellungen wie die Schwangerschaft, die Entbindung sowie das Leben mit einem Baby später einmal werden könnten. Auch ich habe es mir immer so schön vorgestellt. Als Schwangere im Geburtsvorbereitungskurs andere Gleichgesinnte zu treffen, dieses Glück hatten wir noch im Februar 2020. Doch alles weitere wie Dickbauch Schwimmen, Tanzen oder Yoga fielen flach.
Für die Entbindung hat man sich ausgemalt ein Familienzimmer zu beziehen und gemeinsam den Start der Geburt bis hin zur endgültigen Entbindung sowie die ersten drei Tage als kleine Familie zu erleben, später dann die ersten Wochen und Monate mit seinem Kind in eine Krabbelgruppe, zum Pekip-Kurs oder dann zum Babyschwimmen zu gehen. Doch die Pandemie machte alles zu Nichte.
Die Babys des Geburtsvorbereitungskurses konnte man nur über WhatsApp kennenlernen und beglückwünschen. Viel zu groß war die Sorge, auch bei den Lockerungen, die neuen Erdenbürger zu gefährden.
Die Geburt meines Kindes musste eingeleitet werde, was bedeutete, dass mein Mann mich an einem Freitagmorgen im Krankenhaus an der Tür verabschiedete und ich den Start der Geburt alleine durchmachen musste. Vorbei war der Traum vom Familienzimmer und der Unterstützung des eigenen Mannes. Erst am nächsten Tag als es in den Kreissaal ging durfte er wieder kommen. Die gesamte Geburt über haben wir einen Mundschutz tragen müssen, nicht dass die Geburt für eine Frau sowieso schon ein kräftezehrender Prozess wäre.
Unser Glück war vollkommen als unser Sohn das Licht der Welt erblickte. Unser Sohn wurde gewogen und gemessen und als ich aufs Zimmer geschoben wurde musste mein Mann direkt wieder gehen. Er durfte täglich für 30 Minuten zu Besuch kommen, viel zu wenig um die Zeit zu genießen, sich kennen zu lernen aber auch zu wenig um sich darüber aufzuregen. Herzzerreißend. Ich habe meinen Mann noch nie so glücklich und zugleich so unglücklich gesehen.
Die ersten Wochen Zuhause als kleine Familie waren wie ein Traum, ich kann nun verstehen warum es „Zauberzeit“ genannt wird. Jedoch auch diese wundervolle Zeit wurde von einer dunklen Wolke begleitet, denn schließlich wollte der Rest der Familie unser neues Familienmitglied kennen lernen. Wir haben es möglich gemacht. Hände waschen, desinfizieren, Maske auf, draußen auf dem Balkon für 5 Minuten durfte jeder mal „Halten“. Natürlich an verschiedenen Tagen und maximal 2 Personen zeitgleich. Auch nur die engste Familie.
Um die Urgroßeltern nicht zu gefährden haben sie unseren Sohn nur 2x bisher gesehen. Dabei habe ich mir immer gewünscht – wenn ich einmal Kinder habe, dass sie noch am Leben sind und voll mit einbezogen werden können.
Wir sind streng, auf Abstand, übervorsichtig. Nicht einfach für Jeden zu verstehen. Oft waren wir die „Bösen“. Das Wohl unseres Kindes stets an erster Stelle. So verging die Zeit. Wir haben uns seit der Geburt unseres Sohnes eigentlich permanent im Lockdown befunden und befinden uns noch immer darin.
Ziemlich schwer, denn zwischendurch haben wir noch ein Haus renoviert und sind umgezogen. Dieses war nur mit einer Umzugsfirma möglich.
Kein Babyschwimmen, keine anderen Babys um ein normales Sozialverhalten entwickeln zu können, kein “Mama-Kaffeeklatsch” um sich auszutauschen. Immerhin haben wir das Internet.
Aber wir beschweren uns nicht. Die Familie ist gesund. Nur das zählt. Mein Großvater, der Urgroßvater unseres Sohnes wurde gestern (24.02.2021) 88.Jahre alt. Wir können nicht bei ihm sein. Danke Corona. Für uns alle keine leichte Zeit! Haltet durch!”
Wenn auch Sie Ihre ganz persönlichen Corona-Empfindungen in einem Leserbrief erzählen möchten, schreiben Sie uns eine E-Mail an[email protected]
GCN/Julia B/bs