Grabsen – Zahlreiche Plakate hängen bereits und kommenden Monat starten die
Briefwahlstellen für die Kommunalwahl. Zwei Wochen nach der Kommunalwahl folgt
die Bundestagswahl. GCN traf die Grünen Spitzenkandidaten im Rat, Kristina Wilken
und Darius Pilarski, der bis April 2021 Fraktionsvorsitzender der Grünen war.
CGN: Herr Pilarski, Sie haben sich im April in die „politischen Elternzeit“
verabschiedet. Waren Sie eigentlich enttäuscht, dass Uwe Mohrhoff von Ihrer
Partei zum Bürgermeisterkandidaten gewählt wurde und war der Abschied für
immer?
Pilarski: Natürlich wäre ich gerne für die Grünen als Bürgermeisterkandidat angetreten, aber die Basis hat anders entschieden. Nun heißt es nach vorne zu blicken, statt nach hinten. Sie werden feststellen, dass ich in Garbsen für den Rat, Ortsrat und auch für die Regionsversammlung auf dem Stimmzettel zu finden bin. Ein politischer Rückzug sieht anders aus. Das weniger an Politik tat mir persönlich und meiner Familie gut. Es gibt auch ein Leben außerhalb der Politik und 10 Jahre war ich in der 1. Reihe, da tut es gut auch mal mehr die Beobachterrolle einzunehmen. Unsere Listen sind nun zum Glück auch weiblicher geworden (Anmerkung der Redaktion: bei bislang 3 Männern im Rat, war dies nicht schwer). Garbsen wurde bislang mehrheitlich von Männern regiert, die im Regelfall schon im Ruhestand waren. Dies merkte man an vielen Stellen. Statt über Kita–Plätze wurde über Luftschlösser in der Neuen Mitte diskutiert. Eine unserer Spitzenkandidatinnen ist Kristina Wilken, die im Wahlbereich 2 (Anmerkung der Redaktion: Garbsen–Mitte und Alt–Garbsen) des Rates auf Platz eins zu finden ist und von der sicher nach der Wahl mehr zu hören sein wird.
GCN: Frau Wilken, dies klingt ja vielversprechend. Was wollen Sie im Rat
verändern?
Wilken: eine junge, weibliche Stimme und Perspektiven als Frau und Mutter einbringen. Viele Familien aus Hannover, wie meine, müssen ins Umland ausweichen, da wird neben bezahlbarem Wohnraum auch auf eine hochwertige Betreuungsmöglichkeit vor Ort geschaut. Hier vergeudet Garbsen meiner Meinung nach Potenziale, die auch für viele Arbeitgeber wichtiger werden. Als Umweltwissenschaftlerin, die sich viel mit Landwirtschaft und Klimawandel auseinandergesetzt hat, und gerade noch einen Master in Naturschutz draufsetzt, sehe ich ebenfalls in diesen Bereichen noch viel Luft nach oben, zum Beispiel im
Ausbau der Radwege oder im Baubereich. Wie die Landwirtschaftskammer in einigen Fällen angemahnt hat, wird landwirtschaftliche Fläche als Baugebiet ausgewiesen und zusammenhängende Landschaftsräume mit wertvollen Strukturen für den Artenschutz zerstört. Das erzeugt Flächendruck auf die Landwirtschaft und den Naturschutz. Ich bin nicht grundsätzlich gegen das Bauen, aber man muss schauen, was, wo und wie gebaut wird. Sind Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen und wieviel Flächenversiegelung gibt es? Ich könnte noch viele andere Punkte aufführen, belasse es aber erst einmal dabei.
GCN: Annalena Baerbock hat es ja schwer derzeit. Denken Sie, dass die
Geschichten um Frau Baerbock den Grünen im Rat schaden?
Wilken: Mit Annalena Baerbock haben die Grünen erstmals eine aussichtsreiche Kandidatin die nicht nur Grüne ist, sondern auch weiblich, jung und Mutter. Entsprechend hart ist der politische und mediale Gegenwind aus allen Richtungen. Natürlich hat Annalena Fehler gemacht. Bedenkt man aber, dass Armin Laschet sich vor einigen Jahren als Dozent Noten ausgedacht hat, stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit.
Pilarski: Hier versucht die politische Konkurrenz auf relativ plumpe Weise von den
Sachthemen abzulenken. Es passt einfach nicht ins System der alten Männerklüngel,
die wir auch im Rat der Stadt Garbsen hatten.
GCN: Im Rat gab es Männerklüngel? Gehörten Sie dazu?
Pilarski: Vor Corona traf man sich nach der Ratssitzung immer im Spazzo und besprach die wichtigen Themen und gemeinsames Vorgehen. Hier wurde oft mehr Politik gemacht als in so mancher Ratssitzung und diese Runden bestanden zu 90–100% aus Männern. Und ja, ich war auch oft dabei.
GCN: Wie wollen Sie mit diesem Männerklüngel umgehen in Zukunft, Frau
Wilken?
Wilken: Ich klebe mir einen Schnurrbart an und mische mich unter (lacht). Spaß beiseite, mit Djenabou Diallo–Hartmann, Diana Köhler Lübbecke und Susanne Trensch haben wir Grüne drei weitere Spitzenkandidatinnen am Start. Und ich sehe auch bei den anderen Parteien den Willen zur Verjüngung und einige Kandidatinnen. Der nächste Stadtrat wird voraussichtlich weiblicher werden, wenn es fraktionsübergreifende Klüngel–Gruppen geben sollte, dann müssen auch diese weiblicher werden.
GCN: Also dürfen sich die Ratsmitglieder nicht mehr im Spazzo treffen.
Wilken: Für eine gute Politik ist der Austausch entscheidend, manchmal hilft eine lockere Atmosphäre da besser. Ich möchte mich über meine Partei heraus vernetzen um den Männerklüngel, sollte er bestehen bleiben, etwas entgegenzusetzen. Politische Positionen hängen in der Kommunalpolitik auch von der eigenen Lebensrealität ab. Mir ist es daher wichtig mich mit anderen Politiker/innen zu vernetzen damit beispielsweise zukünftig mehr Geld in Kitas und Ganztagsbetreuung investiert wird, statt den Etat für Straßen mal wieder zu erhöhen. Dabei gilt, dass bestimmte Gruppen, wie Eltern nicht übergangen werden, weil Treffen zu unmöglichen Zeiten stattfinden.
GCN: Herr Pilarski, haben Sie in der letzten Wahlperiode versagt, da Sie die
von Frau Wilken formulierten Ziele nicht erreicht haben?
Pilarski: Wir Grünen waren in den vergangenen Jahren in der Opposition und haben mit unseren drei Mitgliedern (von insgesamt 42) regelmäßig gegen die GroKo klare Opposition betrieben. Mit einer starken Grünen Fraktion werden die wichtigen Zukunftsthemen nicht mehr so leicht übergangen werden. Welche Folgen Klimawandel auch für uns haben kann, haben wir in Deutschland in den vergangenen Tagen hautnah erlebt. Anträge in diese Richtung wurden von der Garbsener GroKo in den vergangenen Jahren aber immer mit breiter Mehrheit abgeschmettert. Erst die letzten Monate merkt man Bewegung bei den aktuell noch
großen Parteien. Die Garbsener Politk hat aber auch während Corona versagt.
GCN: Mit welchem Partner wollen Sie in Zukunft zusammenarbeiten und was
meinen Sie mit „versagt“?
Pilarski: Mit einem Partner, mit dem wir unsere Ziele am besten realisieren können.
Dies können alle Parteien des demokratischen Spektrums sein. Versagt hat Politik und Verwaltung während Corona insb. beim Thema Schule. CO2–Messgeräte und Lüfter sind alles Dinge, die wir schon vor knapp einem Jahr gefordert haben und es sind Dinge, wo wir im Herbst 2021 feststellen, es hat sich nichts getan. Die Verwaltung wollte nicht, die GroKo war zu geizig. Alles zulasten der Familien, wenn die X. Welle durch die Schulen gehen wird und man wieder im Winter merkt, dass es kalt wird, wenn die Fenster geöffnet werden. Bei den Problemen sollten natürlich auch die Länder oder der Bund helfen, aber in der ersten Zuständigkeit sehen wir die Kommune und hier hat die Stadt und insb. die Sozialdezernentin versagt, die sich nun aufmacht, Bürgermeisterin zu werden.
GCN: Was sollen Sie 2026 in Garbsen erreicht haben?
Wilken: Eine Stadt, mit viel Lebensqualität für Jung und Alt in allen Stadteilen. Eine Stadt, die sich nicht scheut, den Klimawandel zu begegnen, sondern ihn auch als Chance versteht, um nötige Änderungen und Strukturanpassungen in Angriff zu nehmen. Eine Stadt, die ihre Umgebung im Grünen schätzt und schützt. Ich möchte gerne bis 2026 Garbsen zukunftsgerichtet voranbringen.
GCN: Vielen Dank für das Gespräch. Alles zu den Kommunalwahlen in Garbsen finden Sie hier.
GCN/cu