Mit Beweissicherung Gewaltopfern helfen: Klinikum Neustadt am Rübenberge bietet Betroffenen Hilfe an

Elvira Franz und Stefanie Bartholomay, Mitarbeiterinnen der Zentralen Notaufnahme im Klinikum Neustadt, mit einem von ProBeweis zur Verfügung gestellten Notfall-Kit. Diese Box beinhaltet Material zur Spurensicherung./ Foto: KRH

Garbsen – Etwa 115.000 Frauen und 27.000 Männer wurden 2019 in Deutschland Opfer von häuslicher Gewalt (Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend).

Die Dunkelziffer dürfte sogar deutlich größer ausfallen, denn häufig sind Betroffene gehemmt, Anzeige gegen den Täter bzw. die Täterin zu erstatten. Damit betroffene Menschen auch Jahre nach der erlebten Gewalttat noch die Möglichkeit haben, diese Entscheidung zu treffen und die Polizei oder Staatsanwaltschaft zu kontaktieren, beteiligt sich das KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge an dem durch die Medizinische Hochschule initiierten landesweiten Netzwerk ProBeweis.

Streng vertrauliche Beweissicherung

Gewaltopfer erhalten dort Hilfe, indem geschultes medizinisches Fachpersonal am Klinikum die Verletzungen und andere Befunde fachkundig und gerichtsverwertbar dokumentiert und dadurch Beweise sichert. Diese werden an das Institut für Rechtsmedizin an der MHH weitergeleitet und unter streng vertraulichen Auflagen archiviert. Betroffenen Menschen wird somit die Möglichkeit geboten, auch Jahre nach der Gewalttat auf dieses Material zurückzugreifen und Kontakt mit einer Polizeistelle aufzunehmen.

Die behandelnden und beratenden Ärztinnen und Ärzte aus der Zentralen Notaufnahme und der Gynäkologie am KRH Klinikum Neustadt unterliegen während des gesamten Prozesses der Schweigepflicht. Auf Wunsch des Patienten bzw. der Patientin stellen sie auch den Kontakt zu einer Unterstützungsorganisation für Gewaltopfer her.

Gewalt oft nicht eindeutig erkennbar

„Für gewöhnlich kommen Patientinnen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, zu uns in die Notaufnahme“, sagt Christoph Schaller, stellvertretender pflegerischer Leiter der Zentralen Notaufnahme.

Die typischen Verletzungen sind Blutergüsse, in schwereren Fällen auch Platzwunden. „Man darf nicht vergessen, dass solche Verletzungen oft weniger bis gar nicht sichtbar sind“, betont Schaller weiter. Dennoch brauche der Patient oder die Patientin nicht zu zögern, die Notaufnahme im Klinikum Neustadt aufzusuchen und die Beweisspuren verfahrensunabhängig dokumentieren zu lassen: „Manchmal reicht nach erlebter Gewalt schon der erste Schritt, nämlich, mit einer anderen Person in einem vertraulichen Rahmen über das Geschehen reden zu können.“

Auch Frauen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, können das Hilfsangebot in Anspruch nehmen. Sie werden auf der gynäkologischen Station behandelt.

Oberärztin Lavin Mohamad sagt: „Spermien sind nur höchstens 72 Stunden nachweisbar. Wenn eine Anzeige gegen den Täter nicht gänzlich ausgeschlossen wird, ist es für die Betroffene wichtig, sich in diesem Zeitraum vertraulich an uns zu wenden, damit wir sie unterstützen und mit ProBeweis die Befunde sichern können.“

„Ausrüstung“ durch die MHH gestellt

Um das Team am KRH Klinikum Neustadt fachgerecht zu schulen, bietet die MMH regelmäßige Präsenzfortbildungen an, in denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen, worauf sie bei Untersuchungen achten müssen, um strafrechtlich verwertbares Beweismaterial sichern zu können. Zudem stellt die MHH dem Team sogenannte Notfall-Kits zur Verfügung. Diese enthalten unter anderem Abstrichtupfer, Urinröhrchen oder Messutensilien zur Ausmessung von Wunden oder Blutergüssen.

Das Projekt „ProBeweis“ wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung. Betroffene können sich telefonisch an die Zentrale Notaufnahme (Tel.: 05032 881212) oder an die Gynäkologische Klinik (Tel.: 05032 885200) im KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge wenden.

GCN/ds