Stadtteilhaus Altgarbsen – Mieter und Bürger sagen: „Gebäude muss wieder für für Senioren und Behinderte genutzt werden“

Das Stadtteilhaus in Altgarbsen/GCN

Garbsen – Stadtteilhaus Altgarbsen – Mieter und Bürger sagen: „Gebäude muss wieder für für Senioren und Behinderte genutzt werden“.

Stadt Garbsen will im Stadtteilhaus Geflüchtete unterbringen

Das Stadtteilhaus in der Beethovenstraße, welches im Januar 2018 vom Evangelischen Johannisstift eröffnet wurde, steht unmittelbar vor dem Verkauf an die Stadt Garbsen. Ursprünglich als Nachbarschaftszentrum und Pflegeeinrichtung für ältere und teilweise behinderte Menschen konzipiert, soll das Gebäude nun für die Unterbringung von Geflüchteten umgewidmet werden (wir berichteten). Diese Entscheidung hat bei den Bewohnern der noch einzigen Mietwohnung im Gebäude und bei den Anwohnern große Unsicherheit und Besorgnis ausgelöst.

Das Stadtteilhaus beinhaltet insgesamt 48 Wohneinheiten, davon drei größere Wohnungen, mit allem Komfort für Senioren. Die 45 kleineren Wohneinheiten (1 Zimmer mit Bad) sind ebenfalls komplett behinderten- bzw. altengerecht ausgestattet.

Hintergrund: Vom Seniorenheim zum Flüchtlingsheim

Die Geschichte des Stadtteilhauses ist geprägt von Hoffnungen und Enttäuschungen. Bei seiner Eröffnung (2018) war es als modernes Zuhause für Senioren gedacht, einschließlich barrierefreier Wohnungen und hochmoderner technischer Ausstattung.

Im Januar 2018 wurde das Stadtteilhaus in Altgarbsen eröffnet, ein neues Nachbarschaftszentrum und eine Pflegeeinrichtung mit Wohnort für ältere und teilweise behinderte Menschen. Damals zog auch die Tagespflege des Wilhelm-Maxen-Hauses, das ebenfalls zum Verbund der Altenhilfe des Evangelischen Johannisstifts gehört, in die Beethovenstraße ein. Bis heute ist die Tagespflege im unteren Teil des Gebäudes untergebracht. Laut GCN-Presseanfrage soll die Tagespflege bis Ende 2025 dort erhalten bleiben. Danach soll die Tagespflege wieder am Eichenpark untergebracht werden.

Scheitern des Konzepts und Verkaufsankündigung

Leider ging das Gesamtkonzept unter der Leitung des Johannesstiftes nicht auf. Ende 2021 wurde bekanntgegeben, dass die älteren Menschen leider nicht dort wohnen bleiben können. In einer Pressemeldung hieß es: „Leider mussten wir feststellen, dass sich insbesondere dieses Konzept nicht vollständig durchgesetzt hat und bis heute nicht kostendeckend umsetzbar ist. Trotz aller Bemühungen ist es uns nicht gelungen, mehr als 30 der 48 zur Verfügung stehenden Appartements zu vermieten. Die Belegung liegt damit bei einer Quote von lediglich 55 Prozent.“ Wir berichteten:

Im Jahr 2022 zogen die Mieter aus, und es wurde bekannt, dass das Gebäude verkauft werden soll. Damals sagte Bürgermeister Provenzano, dass er mit dem Eigentümer verhandeln möchte, wie eine Weiternutzung durch die Stadt aussehen könnte.

Die unerwartete Wendung: Das Stadtteilhaus für Flüchtlinge

Nun steht die Stadt Garbsen kurz vor der Vertragsunterzeichnung, und die Nutzung steht laut Beschlussvorlage der Verwaltung bereits fest. Das Gebäude soll u.a. für Geflüchtete genutzt werden. Wir berichteten: Diese Entscheidung hat bei den derzeitigen Bewohnern und Anwohnern große Besorgnis ausgelöst.

Nach GCN Informationen soll das Gebäude 8,5 Millionen Euro kosten, über 9 Millionen Euro inklusive aller Kosten wie Notar, Makler und sonstiger Nebenkosten. Die Finanzierung dieser Umnutzung bleibt ebenfalls eine Frage, die die Bürger beschäftigt.

Die Sorge der Bewohner:  Das Ehepaar Meyer (Name geändert)

Zwei der drei größeren Wohnungen stehen leer. In einer der Wohnungen wohnt das Ehepaar Meyer (Name geändert). Frau Meyer (62) ist seit einem Unfall schwerstbehindert, sitzt seitdem im Rollstuhl. Das Ehepaar hatte das große Glück 2018 in diese Wohnung einziehen zu dürfen. Im oberen Bereich befindet sich eine große Dachterrasse, die von den Bewohnern genutzt werden könnte, alle Bäder sind behindertengerecht ausgestattet. Die Wohnungen und Apartments sind hell und freundlich und sehr gut ausgestattet. In den größeren Wohnungen befinden sich komplette, moderne Einbauküchen.

Herr und Frau Meyer sind besorgt um die Zukunft ihrer Wohnsituation/GCN

In dieser Wohnung hat Frau Meyer die Möglichkeit, sich selbstständig durch das Gebäude zu bewegen, mit Hilfe der Fernbedienung für alle Türen und Fenster. So kann sie sich einen Teil der eigenen Selbstständigkeit bewahren. Jetzt, wo die Stadt Garbsen das Objekt für Flüchtlinge nutzen möchte, macht sich das Ehepaar Meyer große Sorgen, hier ausziehen zu müssen, oder das durch die Veränderungen Probleme entstehen könnten, z.B. mit der Sicherheit des Gebäudes. „Hier ist alles offen, man kann barrierefrei von einem Bereich in den anderen gehen, es müsste so  viel geändert werden, das macht mir große Sorgen“, so Frau Meyer.

Fehlende Information und Unsicherheit

Bis zu unserem Artikel, in dem GCN geschrieben hat, dass das Stadtteilhaus von der Stadt Garbsen gekauft wird und das Objekt für Flüchtlinge hergerichtet werden soll, wussten die Meyers noch nichts von der Verwendung der Stadt für dieses Gebäude. Der jetzige Vermieter und Eigentümer wollte vor ein paar Tagen, gemeinsam mit einem Vertreter der Stadt, die Familie besuchen und aufklären, was mit dem Gebäude passiert. Dieser Termin wurde aber wieder abgesagt.

Daraufhin besuchte Herr Meyer (58) den Bürgermeister bei seiner Bürgersprechstunde in Berenbostel, die am Montag, den 16. Oktober stattfand. Dort fragte Herr Meyer, was denn nun mit dem Stadtteilhaus passiert. Bürgermeister Provenzano erläuterte erst einmal die Aufnahmepflicht der Stadt Garbsen von Geflüchteten und erklärte, dass noch gar nicht feststeht, was mit dem Gebäude passiert. Es könnte für ein Studentenwohnheim, Kitas oder andere städtischen Einrichtungen genutzt werden, eventuell auch für Flüchtlinge – außerdem sei der Vertrag ja noch gar nicht unterschrieben. Schlauer war Herr Meyer jetzt nicht.

Die  Beschlussvorlage und die Forderung nach Aufklärung

Der Bürgermeister verwies auch auf die Seite der Stadt Garbsen, auf der man alle Vorgaben der Stadt unter dem sogenannten Ratsinformationssystem (RIS) einsehen könne. Er könne ihm, dem Bürgermeister aber auch jederzeit eine E-Mail schreiben. Als Herr Meyer ohne Antworten wieder zu Hause eintraf, schaute er auf die besagte Seite und konnte es nicht fassen: Dort fand er die Beschlussvorlage für den Rat der Stadt, in der die Verwaltung bekanntgibt, dass das Stadtteilhaus für Geflüchtete hergerichtet werden soll und sofort nach Unterschrift des Kaufvertrages eine Betreiber für die neue Gemeinschaftsunterkunft gesucht werden soll. Hier die Original Beschlussvorlage als PDF.

Beschlussvorlage 236_2023 (Inbetriebnahme einer weiteren Einrichtung zur Unterbringung von Geflüchteten).pdf

Kurz danach kam dann auch der Artikel bei GCN.

Meyer fordert Info-Veranstaltung für das 9 Millionen- Projekt:

„Wenn die Stadt demnächst mein Vermieter wird, dann könnte man mich doch wenigstens aufklären, wie es hier für uns weitergehen soll, das ist bisher ausgeblieben, ich musste alles bei GCN lesen. Ich bin froh, dass ich hier wenigstens Infos erhalten habe, was mit unserem Gebäude passiert. Bei fast allen Flüchtlingsunterkünften gab es vorab Informationsveranstaltungen, auf der sich die Anwohner über Details informieren konnten, Fragen stellen konnten. Das ist bis jetzt ausgeblieben“. Meyer sagt: „Wenn alles beschlossen ist und man eh nichts mehr ändern kann, nützt auch eine Info-Veranstaltung nichts mehr, deshalb fordere ich eine Infoveranstaltung bevor der Rat der Stadt Garbsen dem Vorhaben aus dem Gebäude eine weitere Flüchtlingsunterkunft zu machen ggf. zustimmt. Ausserdem sollten sich alle Ratsmitglieder einmal dieses Gebäude ansehen, bevor sie abstimmen., so Meyer weiter. Mir ist auch wichtig zu erwähnen, dass ich vollstes Verständnis dafür habe, dass Geflüchtete hier in Garbsen ein anständiges Zuhause bekommen, aber dafür dieses Gebäude zu verwenden halte ich aus den vorgenannten Gründen für falsch“, so Meyer abschließend.

So wie es aussieht, wird das Thema in der Ratssitzung behandelt, die am 4.12.2023 stattfindet. Vorher geht das Ganze noch durch den Ortsrat und verschiedenen Ausschüssen.

Bürger äußern ihre Bedenken

GCN hat sich auch in der Nähe des Gebäudes bei den Menschen umgehört. Niemand wollte seinen Namen nennen, alle haben Angst als rechts oder ausländerfeindlich hingestellt zu werden, aber eine Meinung haben sie trotzdem:

Andrea N. (Name geändert): „Dieses Gebäude als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen ist eine Schande. Hier gehören alte und kranke Menschen her, die den Luxus dieses barrierefreien Gebäudes inklusive modernster Technik nutzen können, um sich ihren Alltag leichter zu machen. Die Stadt könnte andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen, aber dieses Gebäude muss „tabu“ sein“.

Hartmut K (Name geändert): „Seit Jahren suche ich eine behindertengerechte Wohnung in Garbsen, ohne Erfolg. Ich bin auf einen Rollstuhl angewiesen. Wenn diese Wohnungen von der Stadt an Menschen wie uns vermietet werden würden, wäre ich sofort interessiert, wenn sie bezahlbar für mich ist.“

Michaela W (Name geändert):Ich war felsenfest davon überzeugt, dass unser Stadtteilhaus wieder für Senioren genutzt wird. Als ich bei GCN gelesen habe, dass dies wohl nicht der Fall ist, war ich geschockt. Dieses schöne Gebäude mit all seinen Vorzügen nicht dafür zu nutzen, wofür es einst gedacht war, wäre furchtbar. Wo findet man schon solche Gebäude für Senioren in Garbsen? Die sind rar gesät, leider.“

Die Besorgnis und Unsicherheit der Anwohner und Bewohner des Stadtteilhauses in Altgarbsen wächst mit jeder neuen Information, die über die Umnutzung des Gebäudes für Flüchtlinge bekannt wird. Die Bürger fordern Aufklärung über die Hintergründe dieser Entscheidung und hoffen auf Alternativen, die die Bedürfnisse der älteren und behinderten Menschen berücksichtigen.

Die Stadt Garbsen steht nun vor der Herausforderung, die Interessen und Bedenken der Bürger in Einklang mit ihren Verpflichtungen zur Unterbringung von Geflüchteten zu bringen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, wie diese Situation sich entwickelt und ob es eine Lösung gibt, die sowohl den Bedarf an Flüchtlingsunterkünften als auch die Bedürfnisse der Bürger/innen respektiert. GCN wird weiterhin über diese wichtige Angelegenheit berichten und die Entwicklungen in Altgarbsen verfolgen.

GCN/bs