Garbsen/Region Hannover – Einen „historischen Höchstwert“ im Storchenbestand der Region Hannover hat Dr. Reinhard Löhmer, ehrenamtlicher Beauftragter für die Weißstorchbetreuung, in diesem Jahr ausgemacht.
Waren im Vorjahr noch 89 Nester besetzt, so konnte sich der Experte diesjährig sogar über 102 Brutpaare in und um Hannover freuen: „Der vor allem im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Zuwachs ist schon erstaunlich!“. Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren gab es nur ein Viertel des gegenwärtigen Bestandes. 1988 war der Tiefststand bei den Regionsstörchen mit nur neun Paaren.
Nachwuchs stellte sich bei 80 Paaren (2020: 66) ein. Sie werden am Ende der Saison 175 Junge aufgezogen haben (2020: 147). Es wäre sogar ein noch besserer Bruterfolg möglich gewesen, wenn das Wetter mitgespielt hätte: „Für die Entwicklung der Frühgeschlüpften war das ‚Aprilwetter‘ bis Ende Mai deutlich zu kühl. Ende Juni/Anfang Juli förderte das feucht-warme Wetter die Aspergillose, eine tödliche Pilzinfektion im Atemsystem der Nestlinge“, erläutert Dr. Löhmer in seinem Jahresbericht.
Der Bericht im Wortlaut:
Weißstörche in der Region Hannover im Jahre 2021
Vorbemerkung
Das Storchenjahr 2021 begann mit der sehr frühen Rückkehr der Westzieher, die gleich nach dem Kälteeinbruch Mitte Februar ab dem 17.02. in großer Anzahl eingetroffen sind. Bis Anfang März waren mehr als 60 Prozent der Nester besetzt. Die ersten Ostzieher trafen ab Ende März ein – viele auch erst Mitte/Ende April.
Erwartungsgemäß machte sich in diesem Jahr im Bestand der nachwuchsstarke Jahrgang 2019 (Mäusejahr!) bemerkbar. Diese Zweijährigen waren auffällig als Nichtbrüter oder als sogenannte „Verlobungspaare“. Einige von ihnen schritten noch im Mai zur Brut.
Durch diese sich lang hinziehende, sehr heterogene Rückkehr gab es ein zeitlich weit gefächertes Bild von Brut und Jungenaufzucht in der Region. Während die frühen Westzieher schon ab Mitte März zur Brut schritten, begannen die Spätankömmlinge zum Teil erst Anfang/Mitte Mai mit der Brut. Durch diesen zeitlich stark divergierenden Brutablauf haben wir aktuell die Situation, dass die ältesten Jungen schon Ende Juni ihre Nester verlassen haben, während die Jungen der Spätbrüter wie in Otternhagen zum Teil gut vier Wochen im Nest versorgt werden müssen. Dennoch kann jetzt eine erste Bilanz gezogen werden.
Brutsaison
Die große Anzahl brutwilliger Störche führte dazu, dass die Mehrzahl der Nester schnell besetzt war. Später eintreffende Störche mussten um Nester kämpfen, in der Fläche vorhandene Nisthilfen beziehen oder sich ohne menschliche Hilfe selbst ein Nest bauen. Die Anzahl der baumbrütenden Störche ist stark angestiegen insbesondere auch durch eine Kolonie in einem Alt-Eichenbestand in Mesmerode (sechs Nester!). Zurzeit siedeln mehr als 10 Prozent aller Paare in der Region auf Eigenbauten!
Es gab 17 Neugründungen vor allem auch bedingt durch die vielen jüngeren Störche im Bestand.
Im Vergleich zum Vorjahr (89 besetzte Nester) gab es in diesem Jahr mit 102 Brutpaaren einen historischen Höchstwert und einen weiteren Anstieg um fast 13 Prozent. Der vor allem im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Zuwachs ist schon erstaunlich und basiert im Wesentlichen auf der Zunahme der Westzieher. Noch vor zehn Jahren gab es nur ein Viertel des gegenwärtigen Bestandes. 1988 war der Tiefststand bei den Regionsstörchen mit nur 9 Paaren. Auch die Zahl von 1934 mit 55 Paaren war deutlich niedriger ausgefallen.
Von den 102 Paaren haben 80 erfolgreich gebrütet.
Sie werden am Ende der Saison 175 Junge aufgezogen haben – 27 Junge mehr als im vergangenen Jahr. 22 Paare oder 221,6 Prozent aller Paare sind ohne Bruterfolg geblieben.
Das Wetter hat in diesem Jahr einen besseren Bruterfolg verhindert. Für die Entwicklung der Frühgeschlüpften war das „Aprilwetter“ bis Ende Mai deutlich zu kühl. Ende Juni/Anfang Juli förderte das feucht-warme Wetter die Aspergillose, eine tödliche Pilzinfektion im Atemsystem der Nestlinge. Mehr als die Hälfte aller Paare mit Jungen haben nur ein oder zwei Küken aufziehen können – ein Beleg dafür, dass die Bedingungen für die Aufzucht nicht so optimal waren.
25 Paare zogen lediglich ein Junges auf, 28 nur zwei Junge. 27 Mal sind drei Junge ausgeflogen. Nur die Paare in Idensen, Liethe und Steinhude (Mitte) sowie ein Paar in einer Eiche in Mesmerode konnten vier Junge erfolgreich aufziehen.
Mit einem Bruterfolg von 1,72 Junge pro alle Paare liegt das Ergebnis etwas unter dem langjährigen Mittel von 1,8.
Ausblick
Die Ursachen für den anhaltenden „Boom“ im Bestand basieren vor allem auf Entwicklungen bei den Westziehern, denen inzwischen deutlich mehr als 60 Prozent aller Brutvögel in der Region zuzuordnen sind. Durch die Überwinterung im spanischen Raum, zum Teil auch schon in Mitteluropa sind ihre Zugwege kürzer geworden. Dadurch haben sich die Verluste auf den Zugwegen und im Winterquartier verringert. Folglich kommen mehr westziehende Störche in ihr Geburtsgebiet zurück.
Auffällig bleibt weiterhin, dass sich immer mehr jüngere, zweijährige Störche im Brutgebiet aufhalten und auch schon brüten. Die Paare rücken näher zusammen, was sich insbesondere entlang des Leinetals zeigt. Die größere Siedlungsdichte erhöht dann aber auch die territoriale Konkurrenz und fördert intraspezifische Aggressionen mit derben Auseinandersetzungen. Diese können nicht durch ein zusätzliches Angebot an Nisthilfen „behoben“ werden, denn letztendlich bleibt die „Storchfähigkeit“ des Lebensraumes von entscheidender Bedeutung.