Bürgermeister Christian Grahl geht mit einem lachenden, und einem weinenden Auge – aber zufrieden

Noch-Bürgermeister Christian Grahl im lockeren Gespräch mit GCN/GCN

Garbsen – Die letzten Tage im Garbsener Rathaus sind für Bürgermeister Christian Grahl (CDU) angebrochen. Seit Mai 2014 ist Grahl Bürgermeister in und für Garbsen – ab dem 01. November 2021 wird Claudio Provenzano (SPD) sein Amt übernehmen.

Chefredakteurin Bianca Schulze von GCN hat den Wechsel zum Anlass genommen, ein letztes Interview mit dem Noch-Bürgermeister in seinem Büro im Rathaus zu führen.

Bianca Schulze: Herr Grahl, nun sind die letzten Tage hier im Rathaus für Sie angebrochen, fällt Ihnen denn der Abschied ein wenig schwer?

Christian Grahl: „Der Abschied fällt mir überhaupt nicht schwer, denn was wir mit Politik und Verwaltung im Laufe der letzten Jahre erreicht haben, ist mehr als zufriedenstellend. Wir haben sogar mehr geschafft, als ich mir am Anfang vorstellen konnte. Ich habe mit so vielen Menschen gesprochen, war ständig unterwegs, 7 Tage die Woche. Diese menschliche Nähe war für mich als Bürgermeister sehr wichtig, nur am Schreibtisch sitzen war nie mein Ding, das könnte ich gar nicht, so gehe ich zufrieden, das ist wichtig für mich“.

Bianca Schulze: Wie lange haben Sie damals gebraucht, um sich in die Materie „Bürgermeister“ einzuarbeiten? Wer hat Ihnen geholfen sich zurecht zu finden?

Christian Grahl: „Viele der Verwaltungsthemen waren mir bereits vertraut, weil ich ja schon vorher jahrelang in einer Führungsposition in Behörden gearbeitet habe. Bei den speziellen Themen und Projekten für Garbsen, haben mich die Kollegen sehr schnell eingeführt und mir viel Unterstützung zu Teil werden lassen. Es war von Anfang an eine sehr angenehme und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die bis heute anhält“.

Bianca Schulze: Welche politischen Projekte haben Ihnen am meisten Freude bereitet?

Christian Grahl: „Da war u.a. die Bewerbung um den Standort für die Conti. Bereits 2015 haben wir die ersten Gespräche geführt, 2016 hat sich die Stadt Garbsen als Standort für die Conti beworben. Der Showdown mit der Landeshauptstadt war für unser Marketing ein Volltreffer, denn mit dieser Aktion haben wir gezeigt, wie leistungsfähig Garbsen ist – natürlich auch wegen der strategisch günstigen Lage zur Landeshauptstadt Hannover. Diese Bewerbung hat zusätzlich enorm zum Selbstbewusstsein der Rathaus-Mitarbeiter beigetragen, darauf sind wir noch heute stolz“.

Zusätzlich möchte ich natürlich den Campus-Maschinenbau in Garbsen erwähnen. Dieser Uni-Standort in Garbsen wird die Stadt über Jahrzehnte nach vorne bringen, ohne dass es die Identität der kleineren Stadtteile verändert, das muss auch der Anspruch für die Zukunft sein.

Ebenfalls war Zusammenarbeit mit den Schützenvereinen immer sehr intensiv und hat mir viel Spass gemacht. Jedes halbe Jahr haben wir uns zusammengesetzt und über die Zukunft der Schützenvereine gesprochen, hier entstand auch die Idee des Stadtschützenfestes, welches Garbsen hoffentlich bald wieder feiern kann – ohne Corona. Mir war es wichtig, die Schützenvereine den Sportvereinen gleichzusetzen und sie auch bei der finanziellen Unterstützung stärker zu berücksichtigen“. Lesen Sie dazu: Garbsens 1. Stadtschützenfest findet im April in Meyenfeld statt

Bianca Schulze: Welche Projekte haben Ihnen am meisten „Kopfschmerzen“ bereitet?

Christian Grahl: „Die Beschleunigung bei der Beschaffung von Wohnraum ist bei der Überregulierung der Planverfahren eine große Herausforderung, das ist immer sehr anstrengend, da dürfen keine Fehler gemacht werden und es muss trotzdem schnell gehen – das ist uns gelungen, hat aber sehr viel Kraft gekostet“. Lesen Sie auch Baubeginn in Garbsen – Mitte In 4 Wohngebäuden entstehen mehr als 240 Miet- und Eigentumswohnungen

Rat stimmt einstimmig für Wohnquartier An den Eichen (Berenbostel Ost)

„Auch die Beschaffung von Kita-Plätzen war eine große Herausforderung – 400 Plätze in 4 Jahren ist das Ziel, 200 sind bereits durch Neu- und Umbauten geschaffen worden, 200 sollen noch folgen. Das ist ein großer Kraftakt reicht aber noch nicht aus, denn die Streichung der Kitagebühren und die Flexiregelung (Kinder können länger in der Kita bleiben, wenn sie noch nicht die Schule besuchen sollen), haben das System in Bedrängnis gebracht – dieses Thema wird auch eine große Herausforderung bleiben“. Lesen Sie auch: Richtkranz weht über Neubau der Kita Murmelstein – Kindertagesstätte wird Platz für 130 Kinder bieten

Kita am Campus offiziell übergeben 

Bianca Schulze: Was/wer hat Sie als Bürgermeister in Garbsen besonders beeindruckt?

Christian Grahl: „Die Aufgeschlossenheit der Menschen in Garbsen, das ist in Hannover wo ich aufwachsen bin nicht so, jedenfalls habe ich es nicht so empfunden. Das zeigt sich auch an dem regen Interesse am Ehrenamt. Viele Garbsener Bürger/innen engagieren sich in Vereinen, Kulturstätten und anderen Institutionen – das habe ich so in noch keiner Stadt erlebt – und das werde ich sicher vermissen“.

Bianca Schulze: Wie wichtig oder belastend war Ihre Parteizugehörigkeit (CDU) während Ihrer Amtszeit, mussten Sie sich erst einmal „freischwimmen“? Gab es auch Unstimmigkeiten und wie haben Sie diese gelöst?

Christian Grahl: „Da gab es Gott sei Dank keine Probleme, ich habe auch von Anfang an überparteilich gearbeitet. Die CDU hat mir auch immer den kompletten Freiraum gelassen, ich habe nie Druck verspürt, etwas zu tun oder es zu lassen“.

Bianca Schulze: GCN hat sie ja quasi in den ganzen Jahren begleitet, wie sahen Sie uns am Anfang und wie sehen Sie uns heute?

Christian Grahl: Frau Schulze Sie haben mich ja zu Beginn meiner Amtszeit eingeladen, da bin ich ehrlich, GCN war damals recht neu, somit habe ich GCN als nicht besonders relevant wahrgenommen, das hat sich allerdings in den letzen Jahren total geändert. GCN hat mittlerweile eine große, lokale Reichweite erzielt, die Information und Kommunikation in Garben prägt und ist heute nicht mehr aus Garbsen wegzudenken.

Bianca Schulze: Das Rathaus ist moderner geworden, sowohl bezüglich der Internetseite als auch im Social-Media Bereich, vieles läuft schon digital, gibt es hier noch Luft nach oben?

Christian Grahl: „Die Verwaltung ist wie in vielen anderen Kommunen auf dem weg zu einer totalen Digitalisierung, hier befinden wir uns zur Zeit mittendrin – es kommen immer mehr und neue digitale Dienstleistungen hinzu. Den größten Schub verspricht der Verein „Die Diginauten“, deren Vorsitzender ich bin, gegründet durch die Stadtwerke Garbsen. Projekte wie Raumluft in Klassenräumen und Lösungen im Straßenverkehr haben begonnen und sollen den Weg frei machen für eine Smart City“. Lesen Sie auch: Start für Zukunftsprojekt: Verein diginauten soll Digitalisierung in Garbsen vorantreiben

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Bianca Schulze: Wie traurig sind Sie, dass die Eröffnung des Badeparks doch nicht im Spätsommer stattfinden konnte?

Christian Grahl: „Erst einmal freue ich mich, dass der Bau des Familien-und Freizeitbades im Finanzrahmen und nahezu im Zeitrahmen geblieben ist. Das Bad ist zur Zeit voll betriebsbereit, soll aber langsam hochgefahren werden. Das Personal des Bades muss sich ausreichend in die hochkomplexe und somit auch komplizierte Badtechnik einarbeiten. Erst wenn das geschehen ist, kann der Betrieb für Alle Besucher/innen losgehen. Daran arbeiten wir gerade auf Hochtouren. Ich wäre gern mit den Garbsener/innen noch bei Sonnenschein und warmen Temperaturen ins Wasser gesprungen“.

Bianca Schulze: Welche Ratschläge würden Sie Ihrem Nachfolger, Claudio Provenzano (SPD) geben? 

Christian Grahl: „Wenig Abhängigkeiten schaffen und dadurch viel „Beinfreiheit“ bewahren. Ein Bürgermeister erarbeitet sich sein Profil nicht durch Andere, sondern mit Anderen. Es würde mich freuen, wenn auch er aktiv auf die Menschen zugeht. Alles Andere sage ich ihm, ohne dass es GCN erfährt“. (grinst)

Bianca Schulze: Wie wird Ihr Tagesablauf nach dem 01. November aussehen, wenn Sie nicht mehr jeden Morgen ins Rathaus nach Garbsen kommen? Worauf freuen Sie sich nach Ihrer Amtszeit?

Christian Grahl: „Ich freue mich bis zum letzten Arbeitstag Bürgermeister dieser tollen Stadt zu sein. Nach Jahrzehnten freue ich mich aber auch, keinen komplett durchorganisierten Tagesablauf mehr zu haben. Ich werde erst einmal gar nichts tun, ausser meiner Frau täglich ein gesundes, leckeres Mittagessen auf den Tisch zu zaubern, zumindest nehme ich mir das fest vor. Meine Frau arbeitet noch als Lehrerin und wird sich sicher darüber freuen. Meine Frau glaubt allerdings nicht, dass ich das „Nichtstun“ für mich entdecke, wir werden sehen. Im Übrigen sind Jobs und ehrenamtliche Aufgaben immer auf mich zugekommen, nicht umgekehrt. Jetzt fühle ich mich erst einmal frei, und das ist sehr angenehm.

Bianca Schulze: Was wünschen Sie Garbsen und deren Bürger/innen für die Zukunft? 

Christian Grahl: „Ich wünsche Garbsen und den Menschen, dass sie ihre optimistische und positive Lebenseinstellung nie verlieren und die Hektik der naheliegenden Landeshauptstadt weiterhin mit Gelassenheit betrachten – und das gute, soziale Miteinander als Gewinn für sich selbst weiterhin pflegen“.

Bianca Schulze: „Herr Grahl, vielen Dank für das nette und freundliche Gespräch, auch GCN wünscht Ihnen alles Gute für die Zukunft und dass Sie Ihre Freizeit zukünftig mit viel Gelassenheit, ohne Termindruck, dafür mit viel Freude genießen können“.

GCN/bs