Greensill-Skandal: Antworten der Stadt Garbsen zum drohenden Millionenverlust wegen Bankpleite

Die Stadt Garbsen äußert sich zum Greensill- Skandal/GCN

Garbsen – Garbsen droht der Verlust von 8,5 Millionen Euro. Das Geld welches bei der insolventen Greensill-Bank angelegt wurde, gehört der Stadtentwässerung Garbsen (SEG). Wir berichteten

Die Politik forderte Akteneinsicht und mehr Transparenz für die Bürger/innen. Bürgermeister Christian Grahl (CDU) sowie Stadt-Kämmerer Walter Häfele und entsprechende Fachleute haben jetzt einen Fragenkatalog beantwortet und das Ergebnis an die Presse weitergeleitet.

Fraktionsvorsitzender Darius Pilarski von den GRÜNEN Garbsen kritisierte mageren Transparenz in der Sache, wir berichteten. Auch dazu nimmt die Stadt Garbsen Stellung, in der Pressemeldung der Stadt heisst es dazu wörtlich:

Bereits kurz nach dem Bekanntwerden der Greensill-Insolvenz wurden die Garbsener Ratsmitglieder sowie Medien und Öffentlichkeit vollumfänglich und transparent durch Pressemitteilungen vom 7., 12., 16., 18. und 22. März informiert. Darüber hinaus sind die Mitglieder der drei zuständigen Gremien am 11. März unmittelbar und persönlich informiert worden. Alle Ratsmitglieder hatten Gelegenheit, an dieser Sitzung teilzunehmen.

Ratsherr Pilarski (Grüne) hat daraufhin öffentlich gesagt, die Verwaltungsspitze sei in der Sitzung „stumm“ geblieben und habe nicht hinreichend informiert. Die Stadt informiert nun darüber, dass statt dessen Herr Pilarski in der gesamten Sitzung stumm geblieben ist, denn er hat weder eine Frage gestellt noch sich überhaupt zu Wort gemeldet.

In der Pressemeldung heisst es weiter:

Der Eigenbetrieb SEG ist mit seiner fachlichen Aufgabenwahrnehmung sowie finanzwirtschaftlich aus der Stadtverwaltung ausgegliedert. Im Außenverhältnis ist der Eigenbetrieb rechtlich unselbständig. Die Entscheidung der SEG zur Wahl der Greensill Bank AG sowie die Kontoeröffnung für die SEG durch die Stadt sind nach interner Betrachtung, die aufgrund der Bankschließung sofort veranlasst wurde, nachvollziehbar erfolgt. Auch die nachfolgenden Entscheidungen über die drei konkreten Geldanlagen bei der Greensill Bank AG hat die SEG unter Beachtung vorgeschriebener Kriterien auf Grundlage der positiven Stellungnahmen beauftragter Finanzberater und der zugänglichen Informationen, insbesondere der Wirtschaftsprüfer der Greensill Bank, getroffen.

Derzeit überprüft das Rechnungsprüfungsamt (RPA) der Stadt Garbsen unabhängig den Vorgang. „Falls der Bericht des RPA mir Anlass geben sollte, konkretes Verwaltungshandeln in dieser Angelegenheit nochmals gezielt zu überprüfen, werde ich das tun“, so Bürgermeister Christian Grahl

Hier die Fragen und Antworten des Fragenkataloges, beantwortet von der Stadt Garbsen.

„Wer entscheidet in der Verwaltung grundsätzlich, wie und wo öffentliche Mittel angelegt werden?“

Das entscheiden die Bediensteten des Fachbereichs Finanzen der Stadtverwaltung für Geldanlagen der Stadt Garbsen und die Bediensteten der Verwaltung des Eigenbetriebs für Geldanlagen der Stadtentwässerung. Diese Bediensteten sind hierfür qualifiziert, sachkompetent und erfahren. Die Vorbereitung von Anlageentscheidungen, die Kriterien für die Entscheidungen und die Entscheidungen selbst sind verbindlich geregelt in Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Anlageentscheidungen werden auf Fachebene nach dem Vier-Augen-Prinzip getroffen. „Die öffentliche Behauptung von Ratsmitglied Kammler (AfD), die drei Leitungen von Stadtverwaltung und SEG hätten „die Verträge mit der Greensill Bank unterschrieben“, sind Fake News. Man kann also Herrn Kammler von der AfD nicht alles glauben”, so Bürgermeister Grahl.

Die Entscheidungen der SEG über die Geldanlagen bei der Greensill Bank sind nach aktueller Betrachtung nachvollziehbar und korrekt erfolgt. Täter sind hier keine städtischen Bediensteten, sondern Manager der Greensill-Bank, bei denen der Verdacht besteht, trotz Überwachung durch die BaFin und trotz beanstandungsloser Wirtschaftsprüfungen offenbar unbemerkt schwere Straftaten begangen zu haben.

„Der Bund der Steuerzahler hatte sich in die Thematik eingeschaltet und behauptet, die SEG dürfe überhaupt nicht so viel Geld anlegen. Stattdessen, so der Bund der Steuerzahler, hätte das Geld durch Senkung der Gebühren an die Kunden zurückgegeben werden müssen. Wie bewertet die Stadt diese Aussage?“

Die Behauptungen vom Bund der Steuerzahler sind nach Angaben der SEG falsch. Erstens: Die SEG darf ihre liquiden Mittel anlegen. Zur Vermeidung von Verwahrentgelten in einem hohen fünfstelligen Bereich pro Jahr müssen diese Gelder auch angelegt werden.

Zweitens: Für eine Senkung der Gebühren hätten diese liquiden Mittel nicht genutzt werden dürfen. Denn für die Beseitigung von Schmutz- und Regenwasser ist eine hochinvestive Infrastruktur erforderlich, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten hohe Investitionen erfordert. Diese Investitionen sind nicht immer für Jahre im Voraus planbar. Damit die Investitionen zu jedem erforderlichen Zeitpunkt getätigt werden können und zudem kaufmännisch eine sinnvolle Quote aus Eigen- und Fremdkapital eingesetzt werden kann, sind liquide Mittel grundsätzlich erforderlich.

Die gesetzlichen Vorgaben zur Höhe dieser Mittel und auch zur Berücksichtigung in der Gebührenkalkulation wurden jeweils eingehalten. Die Abwassergebühren werden auf Grundlage der jährlichen Gebührenkalkulation erhoben. Das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz schreibt vor, dass Gebührenüberschüsse innerhalb der nächsten drei Kalkulationszeiträume gebührenmindert eingesetzt werden. Dies ist in Garbsen immer so erfolgt. Die Gebührenerhebung erfolgt durch Beschluss des Rates der Stadt Garbsen.

Neben dem Gebührenhaushalt gibt es den sogenannten HGB-Abschluss der SEG. Hier werden zweckgebundene Rücklagen gebildet, um die genannten Investitionen tätigen zu können, die in Teilen auch zu erhöhter Liquidität führen.

„Welche Kriterien waren bei der Auswahl der Bank entscheidend? Wieso ist so eine hohe Summe nur einer Bank anvertraut worden? Verlässt sich die Stadt bei einer solchen Entscheidung nur auf externe Berater?“

Entscheidend waren insbesondere eine kurze Laufzeit, die Einstufung durch die relevanten Ratingagenturen und die Zinssätze sowie die unbedenklichen Testat der Wirtschaftsprüfer und die Zugehörigkeit zu den Banken, die der BaFin unterstellt sind. Hinzu kam die Expertise einer Finanzberatung.

Es wurde nach Angaben der SEG demnach auch geprüft, welche Banken ein entsprechend erforderliches A-Rating hatten. Im Juli 2020 führte allein das Rating dazu, dass nur noch wenige Banken im Auswahlprozess blieben, darunter waren die Greensill Bank, die Bank of China und die Santander Bank. Die Santander Bank war wegen Verwahrentgelten und damit Negativzinsen auszuschließen. Die Bank of China wurde aus moralischen Gründen ausgeschlossen, weil kein Geld einer Kommune bei dieser Bank angelegt werden sollte. Der Auswahlprozess führte also dazu, dass entweder gegen die Maßgabe eines guten Ratings hätte verstoßen werden müssen – d. h. durch Auswahl einer Bank mit B-Rating als Alternative zur Greensill Bank – oder befristet eine eingeschränkte Diversifizierung verwirklicht wird.

Kommunen müssen nach dem Gesetz bei Geldanlagen auf ausreichende Sicherheit und zugleich angemessenen Ertrag achten; die rechtzeitige Verfügbarkeit ist zu gewährleisten. Die Anlagen erfolgen nach städtischer Dienstanweisung grundsätzlich als Tages- und Festgelder.

„Wie viel Geld haben Stadt und Eigenbetriebe insgesamt noch angelegt?“

Die Verwaltung der Stadt Garbsen hat 30 Millionen Euro und die Eigenbetriebe haben 16 Millionen Euro derzeit bei sieben Bankinstituten angelegt. Darunter befinden sich vier Privatbanken. Heimische Institute haben in der Vergangenheit regelmäßig keine Anlageofferten unterbreitet oder dies nur zu vergleichsweise schlechten Bedingungen mit Negativzinsen getan.

„War der Verwaltung bekannt, dass die Einlagensicherung für Kommunen bei Privatbanken weggefallen ist?“

Ja. Nahezu jede Gebietskörperschaft in Deutschland hat derzeit Gelder außerhalb der Sparkassen und Volksbanken angelegt, die nicht durch die Einlagensicherung geschützt sind. Die Negativzinsen betragen auf Giroeinlagen bei allen öffentlichen Banken und damit auch bei den Sparkassen und Volksbanken zurzeit rund 0,5 %. Dies würde zum Beispiel bei einer Giroeinlage von 10 Millionen Euro ein Verwahrentgelt vo jährlich 50.000 Euro bedeuten, was über einen längeren Zeitraum zu erheblichen Verlusten an Kapital führen würde.

Der Totalausfall einer Bank mit Sitz in Deutschland, die von der BaFin überprüft wird und vom Wirtschaftsprüfer regelmäßig Unbedenklichkeitsbescheinigungen erhält, musste – nach Angaben der SEG jedenfalls im Anlagezeitraum 2020 – für ausgeschlossen gehalten werden.

„Was tut die Stadt, um zumindest Teile der Einlagen zurückzuerhalten?“

Der Stadt Garbsen ist es gelungen, als erste und einzige Kommune einen Vertreter in den Gläubigerausschuss zu bringen. „Das Insolvenzgericht musste schnell handeln, da haben wir mit Rechtsanwalt Dr. Eckert nach dem Prinzip ‚first-comefirst- serve‘ sofort als erste den Fuß in die Tür gestellt“, teilte der Bürgermeister in einer Pressemitteilung mit.

Der Gläubigerausschuss im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Greensill Bank AG ist am 22. März zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Darüber hat der Garbsener Bevollmächtigte, Rechtsanwalt Dr. Rainer Eckert aus der Sozietät Eckert Law und Mitglied im Gläubigerausschuss, informiert. Insgesamt gibt es nur fünf Mitglieder im Ausschuss. Jetzt gilt es, diesem Sitz größtmöglichen Einfluss zu verschaffen. Das gelingt, wenn sich möglichst viele betroffene Kommunen dem Garbsener Mandat anschließen.

Feststehen dürfte, dass zuerst die Gläubiger befriedigt werden, deren Einlagen gesichert sind. Kommunen fallen nicht darunter. „Gerade deshalb ist es wichtig, dass Garbsen und die anderen betroffenen Städte im Ausschuss vertreten sind,um zu retten, was zu retten ist“, sagt Grahl.

Die Stadt geht zweigleisig vor. Sie verfolgt aktuell ihre Gläubigeransprüche im Insolvenzverfahren und prüft darüber hinaus mögliche Ansprüche gegen Behörden, Berater und Ratingagenturen.

„Hat der drohende Verlust Konsequenzen? Wer haftet dafür? Gibt es für solche Fälle eine Versicherung? Werden jetzt andere Einlagen auf die Verlässlichkeit der Banken hin geprüft?“

Nein, der drohende Verlust hat keine Konsequenzen für Bedienstete der Stadt und der SEG, denn die Entscheidungen der SEG über die Geldanlagen bei der Greensil Bank sind nach aktueller Betrachtung nachvollziehbar und korrekt erfolgt. Falls der Bericht des Rechnungsprüfungsamts jedoch Anlass geben sollte, konkretes Verwaltungshandeln nochmals gezielt zu überprüfen, wird diese Überprüfung durchgeführt. „Die – jedenfalls derzeit haltlose – Forderung von Ratsherr Petrak (Unabhängige) nach persönlicher Haftung von Bediensteten im Rathaus ist in der Sache unangemessen und populistisch“, sagt Bürgermeister Grahl.

Gegen die Manager der Greensill-Bank wird strafrechtlich ermittelt. Ansprüche gegen BaFin, Ratingagenturen und Wirtschaftsprüfer der Greensill-Bank werden im Auftrag der Stadt rechtsanwaltlich geprüft. Soweit Gelder bei Banken gebunden sind, erfolgt eine erneute Prüfung bei Wiederanlage.

„Gibt es schon Überlegungen, an welchen Stellen wegen des Verlustes gespart werden soll? Wenn ja: Welche? Sind Großprojekte wie der IGS-Neubau gefährdet oder könnten sie kleiner ausfallen?“

Nein. Es sind keine Auswirkungen bei der Stadt zu erwarten. Die finale Bestätigung durch den Wirtschaftsprüfer wird in den nächsten Wochen erwartet.

„Gab es keine Vorwarnung der Bafin?“

Es gab keine Vorwarnung der BaFin. Eine derartige Entwicklung der Bank war nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere auch für den Zeitpunkt der letzten Geldanlage durch die SEG im September 2020.

„Wurden Provisionen an den Finanzvermittler gezahlt?“

Es wurden seitens der Stadt oder der SEG keine Provisionen an den Finanzvermittler gezahlt.

So also der Sachverhalt aus der Sicht der Stadt Garbsen. Eine Stellungnahme der Parteien des Rates nach Akteneinsicht liegt GCN noch nicht vor. Wir werden weiterhin über den Fall berichten.

GCN/Stadt Garbsen/bs