Leben im gefühlt ewigen Lockdown – Pascal (23) aus Osterwald erzählt von seinen Empfindungen

Pascal erzählt von seinem Leben im Lockdown/Foto: privat

Garbsen -Pascal P. ist 23 Jahre alt, arbeitet neben der Schule in einem Softwareunternehmen, hilft dort in der Personalabteilung. Diesen Sommer wird er die Fachhochschulreife an der Dr. Buhmann Schule erwerben. Anschließend würde Pascal gern ein Journalistik Studium absolvieren. Pascal wohnt in Osterwald-Unterende. In einem Leserbrief erzählt er, wie er die Corona-Krise mit allem was dazu gehörte und gehört vom Anfang bis heute erlebt und vor allem –  fühlt.

„Ich denke in letzter Zeit viel über die Zukunft und die Vergangenheit nach. Meine Erinnerungen an den ersten Lockdown scheinen schon ewig her zu sein. Eine Zeit wie vor der Pandemie ist in noch weiterer Ferne.

Ich bin 23, hole mein Fachabitur nach, sitze in einer Drogerie an der Kasse, um mein Konto ein wenig zu füllen. Plötzlich wird über irgendwelche Infektionen mit irgendeinem Virus in irgendeinem Ort in China berichtet, dies könnte sich zu einer Pandemie entwickeln. Pandemie. Keine Ahnung, was war das nochmal? Ach egal, ist ja sehr weit weg.
Jährlich fahre ich mit meinen Freunden an die Ostsee in den schönen Ferienort Zingst. Wir feiern viel, Bierpong-Tunier zum Frühstück, wir liegen uns betrunken in den Armen. Am Montag nach unserem Urlaub muss ich wieder an der Kasse sitzen, Zeugnisferien vorbei. Gefühlt eine Woche später vermeldet die Bundesregierung den ersten Lockdown in Deutschland, das Virus hat uns erreicht und plötzlich ist alles wie leergefegt. Ich sitze wieder mal an der Kasse. Um die fünf Kunden habe ich in fünf Stunden bedient. Komisches Gefühl. Jetzt sollen wir Masken tragen, unter denen man überhaupt keine Luft bekommt. Was soll der Quatsch? Hier ist doch eh keiner. Wochen ziehen ins Land, der Lockdown bleibt vorerst. Unter der Maske kann man mittlerweile atmen, ich habe mich wohl daran gewöhnt. Jeden Tag kommen die Infektionszahlen und an jedem Morgen kontrolliere ich diese für Garbsen. Wie, es sind schon wieder 20 Leute infiziert? Bleibt doch mit dem Arsch zuhause. Der Inzidenzwert in Garbsen beträgt ungefähr 30 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Kann doch nicht sein. Können die Leute sich nicht einmal zusammenreißen, dann geht das schon weg.
Wir dürfen uns nur mit einem weiteren Haushalt treffen. Alles klar, da halten wir uns dran. Es wird zum Ritual, dass meine Brüder und ich uns abends am Zaun mit unserem Nachbarn treffen. Schön ein paar Bierchen trinken, am nächsten Tag ist ja sowieso Homeschooling oder Fernuni.

Mit der Zeit wird es draußen wärmer. Die Fallzahlen gehen runter. Wir sind wochenlang bei null Neuinfektionen. Die Regierung öffnet freudig die Cafés und Restaurants unter den Hygienebedingungen. Der Sommer kommt, es ist fast wie vor der Pandemie. Ich gehe mit Freunden schwimmen, wir dürfen maximal zehn Leute sein, aber das passt schon. Himmelfahrt war auch ein schönes Erlebnis, trotz der Pandemie. Da es verboten ist umherzuziehen, bauen wir mit unseren Nachbarn eine Bowlingbahn aus Cola-Flaschen auf die Straße zwischen unseren Häusern. Jeder bleibt auf seinem Grundstück, nur zum Bowlen gehen wir kurz auf die Straße.

Zwei Hochzeiten von Freunden wurden während des Lockdowns verschoben. Lange ist unklar, ob diese stattfinden dürfen. Dann endlich die Entwarnung, sie dürfen. Es ist auf eine Art eine komische Situation, da Corona wie weggeblasen scheint. Auf der anderen Art komisch, weil die Bundeskanzlerin  erzählt, wir wären noch nicht durch mit der Pandemie. Was soll denn noch passieren? Tja…..
Es kommt der Herbst. Ihr wisst, was passiert ist. Die Fallzahlen steigen bei niedrigeren Temperaturen in die Höhe. Nicht mehr 30 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, sondern mal eben schlanke 150. Uff. Merkel hat wohl recht behalten. Der nächste Lockdown kommt, doch so richtig wollte sich niemand mehr so wirklich die Freiheit nehmen lassen. Meine Familie und ich haben uns aber seit Pandemieausbruch wirklich stark an die Regeln gehalten. Doch dieses Mal wird es auch für uns ein härteres Brot.

Die Schule darf ich zwischenzeitlich wieder besuchen, dann wieder nicht, dann wieder schon, dann wieder nicht, dann nur in geteilten Klassen. Können die sich nicht langsam mal entscheiden?
Ich sitze in der Bahn und jemand zieht die Maske herunter, um sich einmal kräftig, direkt vor mir, die Nase zu schnauben. Ich zucke zusammen und drehe mich weg. Unhöflich.
Nun haben wir November und mein Geburtstag steht an. Der Lockdown ist im vollen Gange. Oder naja, eher gesagt ist nichts im Gange. Meine Familie und ich stoßen abends auf meinen Geburtstag an, alle gehen früh schlafen. Mittlerweile fühlt man sich in einer leeren Blase, durch den Herbst scheint alles grau zu sein. Aufstehen, Schule, Arbeiten, Schlafen. Aufstehen, Schule, Lernen, Schlafen. In dieser Phase des Lockdowns, darf sich nur noch eine Person mit einem Haushalt treffen. Jetzt macht nicht einmal mehr das Ritual mit unserem Nachbarn Sinn. Denn sobald die Frau unseres Nachbarn dabei wäre, dann sind das ja zwei Personen und ein Haushalt. So gibt es jetzt auch gar kein Highlight mehr am Tag. Zum Glück habe ich zwei Brüder. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich Einzelkinder fühlen. Wir gehen so durch den ganzen Winter. Zwei „spannende“ Highlights habe ich da. Weihnachten mit der Familie. Wir haben unserer Mutter und unserem Vater das Trinkspiel „Meiern“ beigebracht.
Silvester mit der Familie. War wie Weihnachten, nur dass es die Silvesternacht war.
Nun haben wir das Jahr 2021. Der erste Impfstoff wurde kurz nach Weihnachten zugelassen, also können wir nun endlich aufatmen? Naja, eher bedingt, denn die Zahlen steigen weiter, der Impfstoff ist zunächst rar. Aber das wird schon in den nächsten Wochen. Dann lese ich medienübereinstimmend, dass der Impfstoff noch länger braucht, und länger, und länger, und länger… Lockdown abermals verlängert bis Anfang März. Na toll. Es ist noch düster, wenn ich weiter an die Zukunft denke. Hoffen wir mal, dass es nach dem Schneechaos im Norden nun endlich wieder wärmer wird, damit die Infektionszahlen runter gehen, der Impfstoff endlich schneller geliefert wird und wir vielleicht irgendwann wieder ein normales Leben führen können.
Wir alle hofften doch, dass dieses Jahr ein besseres werden würde, doch die Ernüchterung ist groß. Der tägliche Trott ist trostlos. Freunde sehe ich seit Monaten nicht mehr. Aber so scheint wohl das Leben. Das Leben in diesem ewigen Lockdown.“

Wenn auch Sie Ihre ganz persönlichen Corona-Empfindungen in einem Leserbrief erzählen möchten, schreiben Sie uns eine E-Mail an [email protected]

GCN/Pascal P/bs