Garbsen – „Während Corona ist der Beratungsbedarf gestiegen: Frauen kommen wegen Trennungen, Scheidungen und häuslicher Gewalt zu uns“, sagt Pegah Metje, die neue für Garbsen zuständige AWO Frauenberaterin.
Ein häufiges Thema sei auch das geteilte Sorgerecht nach einer konfliktgeladenen Trennung und die damit verbundenen Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Umgangsregelungen. „Aufgrund der aktuellen Corona-Situation zögern viele Frauen noch, zu uns zu kommen“, so die 42-Jährige. Frauen seien durch Beruf und/ oder Kinderbetreuung stark eingespannt und in den Hochphasen der Pandemie kaum in der Lage gewesen, ein Beratungsangebot in Anspruch zu nehmen. Sie rechnet damit, dass sich dies in den kommenden Wochen und Monaten ändert.
Nach einer kurzen Einarbeitungsphase habe sie sich gut in den neuen Job eingefunden. Die AWO Beratungsstelle, die sich im Frauenzentrum am Planetenring befindet und auch im Familienzentrum berät, sei gut vernetzt in Garbsen und sie freue sich auf die neue Arbeit. Zuvor war Metje mehrere Jahre lang als Sozialarbeiterin im Ambulant Betreuten Wohnen beschäftigt und unterstützte Menschen dabei, ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen. Gleichzeitig studierte sie psychosoziale Beratung und Therapie und machte ihren Master. Zur AWO wechselte sie, weil sie sich sehr gut mit dem Leitbild des mehr als 100 Jahre alten Wohlfahrtsverbandes identifizieren könne. „Solidarität, Gerechtigkeit, Toleranz, Vielfalt und Gleichheit sind zeitlose Grundsätze“, betont Metje. Außerdem habe sich die AWO schon früh für die Interessen von Frauen eingesetzt: Gründerin Marie Juchacz war eine bekannte Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin – und die erste Frau überhaupt, die in einem deutschen Parlament sprechen durfte. „Meine persönliche und berufliche Auseinandersetzung mit feministischen Themen ist ein wichtiger Motor für meine Arbeit mit Frauen, die selbst oft gar nicht wissen, welche Rechte sie haben und welche gesellschaftlichen Strukturen sich nachteilig für sie auswirken“, sagt die Mutter von zwei Kindern.
Viele Frauen kämen mit vielschichtigen Problemen in die Garbsener Beratungsstelle. „Wir schauen dann gemeinsam, was wir machen können, um sie durch Vermittlung von geeigneten Maßnahmen und Hilfsangeboten zu unterstützen.“ Schritt für Schritt und in ihrem eigenen Tempo könnten die Klientinnen ihre Probleme angehen. „Hat eine Frau Gewalt erlebt, ist es nicht ungewöhnlich, wenn sie mehrere Anläufe braucht, um sich aus ihrer destruktiven Beziehung zu lösen“, sagt Metje. Manche Frauen kämen zunächst ein bis drei Mal in die Beratungsstelle, brechen dann den Kontakt ab und kommen erst später wieder – wenn sie so weit sind, Veränderungsprozesse für sich umzusetzen. Bei vielen Problemen helfe zunächst oft ein Entlastungsgespräch, um den Leidensdruck zu mindern.
Die Pandemie habe Beziehungen auf den Prüfstand gestellt. Vorhandene Probleme in der Partnerschaft hätten sich verschärft und führten zu Trennungen, Scheidungen und schlimmstenfalls häuslicher Gewalt. „Die gewalttätigen Ausbrüche in Beziehungen sind heftiger geworden“, so Metje. Dies bestätigten auch die Zahlen, die die Interventions- und Koordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt – kurz BISS – registriert. „Deshalb sind wir froh, dass wir Frauen in Garbsen auch in den schlimmsten Phasen der Pandemie zeitnah beraten konnten – egal ob persönlich vor Ort in den Beratungsstellen oder telefonisch“, betont Metje. Die telefonische Beratung sei in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren gut angenommen worden.
Eine Beziehung zu beenden falle schwer – auch Frauen, die in einer gewalttätigen Beziehung leben, insbesondere wenn Kinder mit betroffen sind und eine finanzielle Abhängigkeit besteht. „In unserer Gesellschaft haben meist die Männer die gut bezahlten Jobs und die Frauen nicht, sie treten dann beruflich zurück um sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern – das macht es nicht einfacher“, sagt Metje. Im Schnitt habe eine Frau nach ihrer Trennung zunächst 30 bis 40 Prozent weniger Geld zur Verfügung. Alleinerziehende Mutter zu sein, sei ein Armutsrisiko. Aber es gebe Unterstützungsmöglichkeiten, weshalb es wichtig sei, dass die Frauen ihre Rechte kennen. Leider werde immer noch zu oft der Frau die Schuld für die Gewalttätigkeit des Mannes gegeben. „Die Reaktionen des sozialen Umfelds können ausschlaggebend sein bei der Entscheidung, den gewalttätigen Mann zu verlassen. Wird der Betroffenen Hilfe und Verständnis entgegengebracht, kann sie eher den Schritt wagen, die gewalttätige Beziehung zu beenden“, so Metje. Manche hätten nach einer jahrelangen toxischen Beziehung kaum noch ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse und Stärken. „Unsere Aufgabe sehen wir darin, die Frauen in ihrer Autonomie zu bestärken und ihnen Wege in ein anderes Leben aufzuzeigen. Wir bestärken sie, indem wir gemeinsam schauen, wo ihre Ressourcen liegen“, so Metje.
Öffentlichkeitsarbeit werde ein wichtiger Teil ihrer Arbeit in Garbsen sein, kündigt Metje an. Demnächst wolle sie in den örtlichen Geschäften und Einrichtungen Plakate aufhängen und Flyer verteilen, um erneut auf das Beratungsangebot hinzuweisen. Und sie möchte Kontakt zu Personengruppen aufnehmen, die man bisher noch nicht so gut erreicht habe: Seniorinnen und Frauen mit Behinderung. Dazu werde sie Gespräche mit Einrichtungen der Seniorenarbeit und der Lebenshilfe führen. „Vernetzung ist ein wichtiger Bestandteil für die erfolgreiche Arbeit der Frauenberatungsstelle“, so Metje.
Die AWO Frauenberatungsstelle in Garbsen ist weiterhin wie folgt erreichbar: in der offenen Sprechstunde jeden Dienstag zwischen 10 und 12 Uhr sowie nach Terminvereinbarung: 0179-4493417.
GCN/bs